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2. Der Sturz eines fränkischen Ministerpräsidenten

Sonntag, 30. August 2009 | Autor:

Frankenlied

 


 

Darüber sollten alle Bürger in Bayern bzw. alle Wähler einmal gründlich nachdenken bevor sie eine Wahl treffen.

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Edmund Stoiber hat zurückgeschlagen – und darüber wohl vergessen, dass er und seine Fehler entscheidend zum Debakel der CSU beigetragen haben.


Von Peter Fahrenholz

Edmund Stoiber ist der wahre Drahtzieher hinter dem CSU-Drama.

Das Finale wollte er sich nicht entgehen lassen, den letzten Teil seiner Rache wollte er live genießen: Zur Sondersitzung der Fraktion war auch Edmund Stoiber erschienen. “Der Herr Fraktionsvorsitzende hat mich eingeladen, dann komme ich natürlich”, sagte Stoiber.

Und der Ruheständler Stoiber konnte tatsächlich erleben, wie seine Saat aufging. Auch Günther Beckstein musste gehen, er musste resigniert zur Kenntnis nehmen, dass die Bataillone, die Stoiber in Stellung gebracht hatte, zu stark waren. Es war, als ob sich aus dem Grab noch einmal eine kalte Hand herausstrecken würde, um die Erben zu meucheln.

Die Rache des Gestürzten

Seit dem Wahldebakel vom Sonntag hat Stoiber nichts unversucht gelassen, um Rache an seinen Nachfolgern zu nehmen, die ihn im Januar 2007 aus seinen Ämtern gedrängt hatten.
Er hat die Oberbayern-CSU in Stellung gebracht, die den Rücktritt von Huber und Beckstein forderte. Seine Hilfstruppen haben dafür gesorgt, dass die internen Sitzungen breit in den Medien gestreut wurden. Er selbst soll dann in unzähligen persönlichen Telefonaten mit Abgeordneten die Stimmung gegen Beckstein geschürt haben, der wiederum versucht hat, in eigenen Telefonaten mit denselben Leuten seine Haut zur retten.

Endkampf zweier Freunde

Es war der finale Kampf zweier Männer, die einmal enge Vertraute und auch – soweit die Politik diese Kategorie überhaupt kennt – persönliche Freunde waren, und Stoiber hat ihn gewonnen.

Stoibers Rolle in den letzten Tagen sei “diabolisch” gewesen, heißt es in der CSU-Fraktion, es ist vom “Mephisto aus Wolfratshausen” die Rede. Stoibers Rachefeldzug sei “ohne Vergleich in der bayerischen Nachkriegsgeschichte”, sagt ein CSU-Mann.

Kein gutes Wort über Beckstein

Dass Stoiber so unerbittlich Vergeltung geübt hat, sagt viel über ihn aus. Er hat die Demütigung seines Sturzes nie überwunden. Dass sich ausgerechnet seine beiden engsten Getreuen, Beckstein und Huber, gegen ihn verschwören könnten, damit hatte er nie gerechnet. Von seinen Nachfolgern hat Stoiber fortan nichts mehr gehalten. Bei offiziellen Anlässen erwähnte er ihre Namen nur, wenn es unbedingt sein musste, im kleinen Kreis machte er abfällige Bemerkungen über sie.
Und den Beifall auf seiner neunmonatigen Abschiedstournee, den ihm seine Partei noch spendiert hatte, hat er für bare Münze genommen. Für Stoiber war sein erzwungener Rücktritt vor allem eine Verschwörung. Dass es seine eigenen politischen Fehler gewesen sind, die diesen Abgang erzwungen haben, das hat er nie ernsthaft reflektiert.

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Blind für die eigenen Fehler

Und seine Partei hat es ihm dabei leichtgemacht. Denn dort wird allenfalls nur zart angedeutet, was Gerold Tandler, Stoibers Kompagnon aus gemeinsamen Strauß-Tagen, so unverblümt sagt, wie es immer seine Art gewesen ist. “Der einzige Schuldige an dem Desaster ist Edmund Stoiber.”

So wenig, wie in der CDU eine offene Diskussion darüber geführt worden ist, warum die Bundestagswahl 2005 beinahe verloren worden wäre, so wenig hat die CSU ehrlich über die Gründe diskutiert, warum sich die Wähler so vehement von ihr abgewandt haben.

Es war die Reformpolitik, die Edmund Stoiber im Rausch der Zweidrittel-mehrheit nach 2003 regelrecht durchgepeitscht hat. Bei dieser Politik stand nie im Vordergrund, ob es für die einzelnen Projekte überhaupt hinreichende Gründe gab. Es ging vor allem darum, Stoiber als größten und mutigsten Reformer Deutschlands zu inszenieren.

Sein Ehrgeiz wird zur Hybris

Stoiber wollte Bayern nach seiner knapp verlorenen Wahl gegen Gerhard Schröder im Jahr 2002 zum Musterland machen und damit zeigen, dass er der bessere Kanzler wäre. Und natürlich hoffte er auf eine zweite Chance als Kanzlerkandidat. Die Politik, die die CSU immer mehr von ihren Wählern entfremdete, war maßgeblich vom persönlichen Ehrgeiz Stoibers geprägt, einem Ehrgeiz, der immer mehr in Hybris umschlug.

Die CSU – und das erklärt vielleicht, warum die Diskussion über die eigenen Fehler so kleinlaut geführt wird – hat sich dieser Hybris unterworfen. Zuerst lustvoll, denn Erfolg ist sexy, und Stoiber ließ keine Gelegenheit aus, um der CSU deutlich zu machen, wem sie diesen Erfolg zu verdanken hatte. Später dann immer gequälter, und nach seiner Flucht aus Berlin 2005 wollte man Stoiber nur noch loswerden. Da hatten die meisten endlich erkannt, dass mit ihm kein weiterer Sieg mehr zu holen gewesen wäre.
Wenn also in der Wahlnacht verschämt davon geredet wurde, man habe mit der verheerenden Niederlage die Quittung für die gesamten fünf Jahre erhalten und nicht nur für das letzte Jahr unter Beckstein und Huber, dann zielte das auf Edmund Stoiber. Es müsste aber genauso auf die eigene Schwäche und Feigheit zielen.

Denn kein einziges Projekt Stoibers, das heute für die Verluste mitverantwortlich gemacht wird, hat die CSU verhindert, als sie die Gelegenheit dazu gehabt hätte. Gegen die brachiale Einführung des achtjährigen Gymnasiums, die allen vorherigen Versprechungen zuwiderlief, hat die damals zuständige Kultusministerin Monika Hohlmeier keinen entschlossenen Widerstand geleistet. Obwohl er sie für sinnlos hielt, führte Günther Beckstein die Polizeireform durch, wenn auch murrend. Bei der Verwaltungsreform ließ die CSU-Fraktion sogar zu, dass Stoibers Adlatus Erwin Huber eine Wählergruppe nach der anderen verärgerte.
Selbst in Einzelfragen fehlte der Mut. Bei der Abstimmung über die Abschaffung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, einem der unsinnigsten Anschläge auf gewachsene Traditionen, gingen zahlreiche CSU-Abgeordnete lieber vor die Tür, statt beherzt mit Nein zu stimmen.
Stoiber indes reagiert auf solche Kritik noch heute allergisch. Es dürfte spannend werden, wie viel Nachsicht er seinem Nach-Nachfolger Seehofer diesbezüglich entgegenbringt. Der hat am Montag davon gesprochen, in der CSU müsse nun wieder der Dienst am Menschen im Vordergrund stehen. Gemeint hat er damit: Es muss eine Abkehr von der alten Stoiber-Politik geben.

(SZ vom 02.10.2008/ lawe)

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